Eine Kolumne über die Zerstörung und die verzweifelten Lösungsversuche einer Schule
Es war der Oktober, November letzten Jahres, als es am Rama anfing, mit beschmierten Bildern an der Treppe zum Dörflerkeller. Kurz darauf wurde im Treppenhaus des Altbaus in der Toilette das Fenster zertrümmert. In der Jungenumkleidekabine vor der Gymnastikhalle befindet sich ein Duschraum; der Duschkopf wurde in Richtung Raum gedreht und die Umkleide geflutet. Im Keller des Neubaus wurde Klopapier angezündet, mit einem Besenstiel Löcher in die Deckenplatten geschlagen, Belüftungsanlagen wurden beschmiert, Türgriffe abgerissen. Am härtesten getroffen hat die Schule dann die bis jetzt bekannteste Straftat: Die Siphons der Waschbecken in den Toiletten wurden abgeschraubt, und die Wasserhähne aufgedreht. Nachdem diese mehrfach wieder angeschraubt wurden, begannen der oder die Täter, sie abzutreten. Laut der Schulleitung ist dies schon fünf oder sechs Mal in Folge geschehen.
Die Schule scheint in der ganzen Angelegenheit hilflos, verzweifelt. Man weiß nicht, wer die Täter sind, noch, was sie zu ihren Handlungen treibt. Und man weiß erstrecht nicht, was zu unternehmen ist, um sie zu stoppen.
„Was kann man denn gegen Vandalismus überhaupt tun?“, erklärt Herr Dr. Schnell, „da nimmt einer einen Stift und beschmiert irgendwas. Ich kann deshalb keine Wände hermetisch abriegeln, ich kann keine flächendeckende Videoüberwachung […] einführen, ich kann nicht den Gebrauch von Stiften verbieten. […] Das ist ja gerade das Problem mit Vandalismus, es sind Alltagshandlungen, die man da tut. Und wenn man das Siphon unter einem Waschbecken wegtreten will, braucht man [nichts als] ein Waschbecken mit Siphon und ein Bein.“
Eine Maßnahme hat die Schule dennoch ergriffen: Die Schultoiletten werden nachmittags geschlossen, wer sie dennoch benutzen will, muss einen der FSJler aufsuchen und um den Schlüssel bitten. Die Schülerschaft, gerade die in der Oberstufe, die häufig einen Großteil des Nachmittags Unterricht haben, fühlt sich nicht nur kollektiv für die Taten einzelner bestraft, sondern auch in ihrem Recht, das Badezimmer aufzusuchen, eingeschränkt. Der Toilettenbesuch wird nun nicht mehr zu einer Sache von fünf Minuten, sondern kann gerne mal 15 dauern, wenn es dauert, den FSJler zu finden.
Ich gebe zu, in stehe in einer gewissen Zwickmühle mit diesem Text. Nicht, weil ich mir zu fein bin, die Schulleitung zu kritisieren, im Gegenteil. Es ist vielleicht nicht sonderlich klug, sich als neue Schülerzeitung direkt mit der Schulleitung anzulegen, aber ich wäre mehr als bereit gewesen, es zu tun. Ja, der Text schwebte mir sogar schon vor Augen. Von Menschenrechten zu sprechen, und dass man sie nicht nur interaktionell verstehen kann (habe ich ein Recht, so musst du nach dem interaktionellen Modell entweder etwas unterlassen, oder in manchen Fällen sogar etwas tun, um mein Recht nicht zu verletzen) oder eben auch institutionell, also so, dass man als Organisation ein System schaffen muss, in dem Zugang zu den Menschenrechten gewährleistet ist. Daraus hätte ich gefolgert, dass auch das Erschweren des Zugangs zu den Toiletten bereits eine Menschenrechtsverletzung darstellen kann. Daraufhin hätte ich den Bogen geschlagen zu Walter Benjamin und der göttlichen Gewalt, die „rechtsvernichtend“, „“schlagend“ und „auf unblutige Weise letal“ alle Rechtssetzung zerstört und Gerechtigkeit walten lässt. Mein Apell wäre dann der zum zivilen Ungehorsam gewesen, dass es Zeit wäre zu protestieren, aufzustehen, zu streiken, ein Baustellenklo vor das Büro der Schulleitung zu platzieren. Oder so ähnlich.
Nun bin ich etwas enttäuscht um den Artikel aber ansonsten doch sehr erfreut darüber, dass ich berichten darf, dass die Toiletten nach den Ferien wieder geöffnet sein werden, und ich mir deswegen den ganzen Aufwand über die Philosophie des Widerstandes sparen kann.
Ich möchte mich auch nicht mit der durchaus interessanten Frage beschäftigen, was in einem Menschen vorgeht, damit er sich dazu entschließt, seine begrenzte Zeit damit zu verbringen, Schuleigentum zu zerstören und darüber spekulieren, wie frustriert, einsam und von Ressentiment getrieben so eine Person sein muss. Stattdessen möchte ich mich zum Abschluss dieser kleinen Kolumne der Frage widmen, was denn eine solche Situation für eine Schule bedeutet.
In einem Interview mit der früheren Schülerzeitung des Ramas erzählte Herr Schnell von seiner Zeit an einer anderen Schule, einem Oberstufeninternat, an dem es nicht einmal im Entferntesten Probleme mit Vandalismus gegeben habe. Und zwar, weil die Schüler die Schule als ihre eigene betrachtet hätten. Sie lebten dort, sie gestalteten die Schule nach ihren Ideen, und deswegen war das Beschädigen der Schule natürlich genauso undenkbar wie bei sich zu Hause den Siphon des Wascheckens abzutreten. So eine Haltung, eine Identifikation mit der Schule am Rama zu kultivieren, sei auch das Ziel der neuen Schulleitung.
Nun sitzen wir hier zwei Jahre später und bei mindestens einem einzigen Schüler scheint dieses Ziel gehörig verfehlt zu sein. Die Schulleitung habe danach versucht durch den Draht in die Schülerschaft, z.B. durch die SV die Täter ausfindig zu machen, danach zu fragen, ob irgendjemand irgendjemanden gesehen habe, der vandaliert. Das alles ohne Erfolg. Das Ziel sei dabei nicht einmal unbedingt, jemanden zu finden und zu bestrafen, sondern, dass der Vandalismus aufhöre.
Dass er selbst die Toilettenschließung nicht gut finde und dass es eigentlich neben dem Verhindern der Straftaten, die vor allem am Nachmittag stattfanden, nur darum gegangen wäre, ein Bewusstsein in der Schülerschaft zu schaffen, leuchtet mir ein. Was genau eine Schule dazu treibt, die Toiletten zu verschließen, weiß ich aber nach wie vor genauso wenig zu verstehen, wie, was einen Schüler dazu treibt, sie zu beschädigen, oder, was eine Schule tatsächlich dagegen unternehmen kann.
Gut