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Der Traum der Modernisierung

Last updated on 15. Juli 2024

Lilly Wiedemann zum Thema Vandalismus

Ein Interview der Schulleitung gibt Einblick in das verworrene Spiel der Sanierungsversuche des Ramas; vom jahrelangen Kampf um die Wlan-Verbindung über das asbestbedingte Einsetzen von Kreidetafeln zur kompletten Renovierung der Schule.

Das Rama im Jahr 2022 ist gelegentlich ein trauriger Anblick. Stolz wirbt es mit seinen 450 Jahren, den humanistischen Werten und der Eigenverantwortung, während das Schulgebäude zunehmend maroder und maroder wird. Doch Hoffnung scheint am Himmel erkennbar, schließlich wird die Schule schon seit 15 Jahren in 2 Jahren renoviert werden.

Der Sanierungsbedarf der Schule ist groß, dennoch habe ich versucht ihn in drei Punkten zu definieren:

  1. Trotz der vielfach beteuerten Überzeugung der „neuen“ Schulleitung, die Schule digitaler zu gestalten, ist der Wlan-Anschluss der Schule gelinde gesagt ausbaufähig. Abgesehen davon, dass nur eine Handvoll Räume überhaupt Wlan-Anschluss haben, ist die Verbindung in der Regel miserabel.
  2. Asbest. In den Wänden des Ramas ist Asbest, allerdings ist dieser nur in einer einzigen Stelle des Schulhauses gesundheitsgefährlich, nämlich dem Dachboden des Neubaus. Der ist glücklicherweise abgeriegelt, dennoch verhindert, bzw. erschwert die sonstige Asbestbelastung jegliche Umbauarbeiten.
  3. Und zu guter Letzt kam in den letzten Wochen noch ein Problem hinzu: Der andauernde Vandalismus ist natürlich nicht nur sehr kostspielig für die Schule, sondern führt auch viel schwerer als jedwede normale Benutzung zum Verschleiß des Gebäudes.

Eine Schule ohne Internet im einundzwanzigsten Jahrhundert, mit Durchrissen in Wänden und Decke, mit zerschlissenen Möbeln und Löchern in den Tischen ist die Folge (Besonders Physik I ist an dieser Stelle ansehenswert).

Und dennoch kam vor zwei Jahren mit dem Wechsel, bzw. der Neubesetzung der Schulleitung doch einmal Hoffnung auf, unser neuer Schulleiter, Herr Dr. Schnell, beteuerte in einem Interview mit der alten Schülerzeitung sogar noch, dass vor allem der Internetzugang und das Beanspruchen der Gelder durch den Digitalpakt erst einmal Priorität hätten (siehe dazu die Berichtsreihe Digitalpakt: https://pano.rama-mainz.de/2022/04/24/der-bundesweite-digitalpakt/. Weshalb der Ausbau jetzt auch nach zwei Jahren noch immer stockt, erklärt er uns in einem weiteren Interview.

„Dass es […] so lange gedauert hat“, erläutert er uns gegenüber, „liegt einfach an den Antragsverfahren.“ Nachdem eine Bundesregierung nämlich 5.000.000.000 Euro als Digitalpaket verspricht, fließt direkt erst nochmal nichts davon an Schulen. „Erst wird das Geld auf Länderebene verteilt, danach organisiert jedes Land noch einmal die Unterverteilung über ihre Landesbanken an die Kommunen, die Kommunen organisieren dann in der Kommunalverwaltung […] Stäbe und Verwaltungen, die das Geld verteilen. Die Schulen müssen Anträge stellen, diese Anträge werden begutachtet, das geht ein paarmal hin und her. [..] Das alleine hat uns eineinhalb Jahre gekostet.“

Im März 2020 sei von der Schule bereits der nötige Antrag gestellt worden. Um den Prozess zu beschleunigen habe die Schule daraufhin im April desselben Jahres, ermöglicht durch die Unterstützung und Rückendeckung des Fördervereins, aus eigener Initiative ein Ingenieurbüro an die Schule geholt und angefangen, den Internetanschluss zu planen. Diese Planungen seien im Sommer 2020 dann fertig gewesen. Von diesem Zeitpunkt an hätte man von der Schule aus den Internetzugang legen können.

Der bürokratische Apparat Deutschlands habe danach nämlich wieder eingesetzt, für uns ist in diesem Fall die notwendige Instanz die Gebäudewirtschaft Mainz (GWM). Diese nahm sich das nächste halbe Jahr Zeit für die Einigung über die Pläne. Klar, die standen schon, sowohl die Schule als auch die Schüler wollten die Wlan-Verbindung und es war nicht das Geld der GWM sondern das des eigens dazu geschaffenen Digitalpakets, das verwendet werden sollte, aber dennoch, „das ist in Deutschland nicht so“.

Diese Facette stünde dabei nicht nur beim Wlan-Ausbau im Weg, stattdessen sei „der gesamte öffentliche Baubereich in der Bundesrepublik Deutschland […] nicht in der Lage, einigermaßen zügig Bauprojekte abzuwickeln.“ Klar, Bürokratisierung ist international überall schwierig, ergänzt die Schulleitung noch, aber „wir [in Deutschland] haben [sie] wirklich völlig ausufern lassen.“

In den Herbstferien 2022 dann kam nach ersten Bohrungen der Befund der GWM bei der Schulleitung an; die Wände seien asbestbelastet. Zunächst: Die Menge an Asbest in den Wänden ist gering. Nur an einer Stelle ist er in den Wänden als Dämmstoff verarbeitet und daher gesundheitsschädlich und das ist der Dachstuhl des Neubaus. Da dieser verschlossen und nur durch die kleine Luke im dritten Stock begehbar ist, besteht keine Gesundheitsgefahr für die Schüler. Im Rest des Gebäudes ist das Asbest nur in Form von Steinwollzugabe in der Spachtelmasse in den Wänden einbetoniert. Offensichtlich stellt auch das keine Gesundheitsgefährdung dar, die Spachtelmasse verlässt ja die Wände nicht, aber es erschwert jeden Sanierungsversuch, bei dem in die Wände gebohrt werden muss. Dabei können Asbestfasern frei werden, die dann wiederum krebserregend wären. Um das zu verhindern, muss man also den betreffenden Raum abriegeln, Asbestkonzentration davor und danach messen und gegebenenfalls auch länger sperren und versiegeln. „Dadurch kostet ein Loch durch eine Wand für einen Kabelstrang nicht mehr eine Stunde, sondern drei Tage.“

Dass also erst jetzt langsam Bewegung in das Unterfangen Wlan kommt, sei nicht nur der circa 18-monatigen Odyssee durch die bürokratischen Etagen der GWM geschuldet, sondern auch der Verschiebung um circa sechs Monate durch den Asbest. Läuft also alles ideal, ist zumindest das Wlan in der nächsten Zeit funktionsfähig.

Der Asbest ist genau deswegen auch der Grund für eine weitere Erneuerungsschwierigkeit des Ramas; Schwierigkeiten, die mit steigender Anzahl immer peinlicher werden. Nach den Winterferien sind hier sämtliche White- und Smartboards verschwunden (Die Biologiefachräume sind die Ausnahme). Stattdessen finden sich nun überall breite Kreidetafeln in den Räumen. Die erste Reaktion, die ich als Schüler sowohl von Schüler- als auch Lehrerseite mitbekommen habe, war zunächst Verwirrung, danach Belustigung, eine Umstellung der Lehrmethoden folgte rasch, PowerPoint-Präsentationen und ähnliches waren aufs erste in der Form nicht mehr machbar.

Die Intention hinter der Umstellung, das wird auch niemanden überraschen, war nicht, das Rama auf den Entwicklungsstand des späten zwanzigsten Jahrhunderts zurückzusetzen. Stattdessen, erzählt der Schulleiter, „wir hatten hier Smartboards einer Generation, die jetzt sowieso ersetzt hätte werden müssen. Und Smartboards in dieser Form sind auf dem Markt […], wenn man mal auf die nächsten zehn Jahre guckt, offenbar weitestgehend verdrängt worden.“ Es gäbe kaum noch Schulen, die heutzutage noch eine Neuausstattung mit Smartboards vornähmen. Durch Kurzschließung mit dem Medienzentrum des Main-Taunus-Kreises hätte man zwei Alternativen herausgearbeitet: „Das eine ist ein Projektor, ein Beamer, auf eine Projektionsfläche, und das andere sind Displays. Von Smartboards war da tatsächlich nicht mehr die Rede.“

Displays erscheinen als die modernste und eleganteste Lösung, zumindest kämen sie mir auf den ersten Blick so vor, allerdings mit einer gravierenden Einschränkung. Die Größe solcher Displays sei momentan noch stark eingeschränkt und auf maximal ungefähr zwei Meter in der Diagonale reduziert. Für viele Räume ist diese Fläche wohl indiskutabel zu klein. Darüber hinaus muss so ein Display selbstverständlich mit einem Computer verbunden werden. In der Praxis führe diese denkbar einfache Grundaufstellung Display-Computer allerdings schnell ins Chaos, wenn man zum Beispiel für den Englischunterricht Hörproben verwenden wolle und ein Android- mit einem Apple-Betriebssystem koppeln müsse; ein Unterfangen, das, wie jeder Schüler weiß, schnell in ein derartiges Geflecht aus Kabeln und Adaptern eskaliert, dass es den gordischen Knoten als hermetische Lappalie in den knotengeschichtlichen Hintergrund verbannt.

Das und die geringeren Kosten von Projektoren bedingten die Entscheidung der Schule: Möglichst große Projektionsfläche zwischen drei Meter langen Pylonen-Tafeln mit einem entsprechend hellen, entsprechend starken Beamer unter der Decke. Die letzte Entscheidung ob Kreide- oder Whiteboard-Tafeln fiel dann leicht: „Die Whiteboard-Stifte sind natürlich in der Unterhaltung […] aufwendiger und wenn dann mit falschen Stiften geschrieben wird, ist die Reinigung problematisch und nach vier, fünf Jahren ist das schönste Whiteboard auch nicht mehr White.“

Nun könne man glauben, nachdem man alle Pros und Kontras sorgfältig abgewogen hat und etwaige Medienzentren der Entscheidung des Ramas zustimmen, könne man den Plan rasch in die Tat umsetzen und die Projektoren, sowie ein Lautsprechersystem, ein Panel mit HDMI-Anschluss einsetzen und die Tafeln austauschen. Eins davon ist passiert.

Eine Medienfirma in Hockenheim hat für das Rama diese Kombination aus Projektoren, Lautsprechern und Anschlüssen zusammengestellt, als Paket gibt es eine derartige Klassenraumausstattung in Deutschland nicht, die Schule muss sich solche Leistungen selbst zusammensuchen.

Vor zwei Jahren begann mit der Planung des Wlans auch die Planung dieser Modernisierung. Nun war die Idee der Schule, so clever war man auch, die Kabel, Wlan-Accesspoints etc. vor Montierung der Tafeln verlegen zu lassen. Diese Bohrungen haben sich durch die Asbestbelastung und die bereits beschriebenen Sicherheitsmaßnahmen um etwa ein halbes Jahr verzögert, während die Tafeln bei einem anderen Hersteller bestellt und pünktlich in den Winterferien geliefert wurden, zu dem Zeitpunkt, an dem auch jegliche Elektrik hätte fertig sein sollen. Durch die Verschiebung der Bohrarbeiten liegt nun also die Elektrik mehrere Monate hinter dem Einbau der Tafeln. Trotzdem gebaut wurden die Tafeln deswegen, weil ein weiterer Termin zum Einbau dieser nicht absehbar war. So miserabel wie Tafel ohne Beamer auch sind, potentiell bis nach den Sommerferien auf die neuen Tafeln warten zu müssen, verdient mit Sicherheit auch kein Preisgeld was Effizienz und Planungssicherheit angeht.

Nun sind die Tafeln nicht der einzige Bereich des Ramas gewesen, der Sanierungsbedarf aufweist. Wenn man bedenkt, dass das neue Schulgebäude 1953 errichtet wurde, dann leuchtet es sein, dass nach der Zeit, mit Hunderten von Schülern, die tagtäglich ein und aus gehen, so einiges gemacht werden muss. Tatsächlich ist nach 70 Jahren wohl auch dringend die Zeit gekommen, das Rama von Grund auf zu renovieren, wobei das Problem der Überalterung und des allgemeinen Verschleißes in der Schule natürlich in den letzten Monaten durch den Vandalismus noch einmal verstärkt wurde.

Auch dazu gibt es schulintern bereits Pläne. Seit 15 bis 20 Jahren wären diese schon in Gange. Die Renovierung sollte dabei in drei Bauabschnitten erfolgen. Im ersten würde die Sporthalle abgerissen, ein Neubau in etwas größeren Proportionen würde stattdessen errichtet werden, in dem mehr Räume unterkommen würden, inklusive einer größeren Sporthalle und einem Keller, in den eine neue Mensa einziehen würde. Der zweite Bauabschnitt betrifft dagegen den Altbau, der, auch aus Denkmalschutzgründen, nicht abgerissen, sondern nur grundsaniert werden würde, Raumzuschnitte und Aufbau des Gebäudes blieben dabei unverändert, „das Gebäude an sich bleibt bestehen, es ist wird praktisch entkernt und innen drin neu gemacht.“ Im dritten Abschnitt würde daraufhin der Neubau angegangen, der, trotz des Wunsches der Schülerschaft und der Schulleitung, nicht abgerissen, sondern ebenfalls im Kern saniert (ein paar Wände würden wohl auch versetzt werden) und von außen unverändert bestehen würde.

Diese Pläne waren wieder schön gemacht, wundervolle Ideen, das räume ich ein, dennoch muss ich zum wiederholten Male bemakeln, dass die Umsetzung, nennen wir es mal suboptimal, verlaufen ist. Der Schulleiter führt weiter aus, dass man in zehn Jahren Planung nicht daran gedacht hatte, die Nachbarn zu fragen, ob sie damit einverstanden wären, den Turnhallenbau bei der Renovierung zu erhöhen. Die Zustimmung habe man mittlerweile allerdings.

Karikatur von Nina Spennemann zur Renovierung des Ramas

Aber besonders aufmerksamen Lesern wird eventuell aufgefallen sein, das von den drei Gebäuden des Ramas genau alle renoviert werden sollen, und dass Unterricht in dieser Baustelle wohl kaum noch möglich sein wird. Die Idee zur Lösung kam wieder schnell, wenngleich dieses Mal weniger elegant: Man solle ein riesiges „Containerdorf“ auf dem Ehrenhof platzieren, darin würde während der Umbauten der Unterricht stattfinden, um die nicht zur Verfügung stehenden Räume zu ersetzen.

Weniger elegant ist diese Lösung deswegen, weil ich in meinem Interview auch direkt die von der Schulleitung eingeschätzte Baudauer erfahren konnte: Zum Abriss der Turnhalle mindestens ein Jahr, Errichtung des Neubaus; vermutlich noch einmal zwei Jahre, den Altbau zu entkernen und wieder einzurichten; ein bis zwei Jahre, den Neubau zu sanieren noch einmal genauso lang; insgesamt fünf bis sieben Jahre lang mindestens, insofern auch jeder der Bauabschnitte direkt hintereinander erfolgen würde. Inwiefern die asbestbedingten Schutzvorkehrungen diesen Prozess noch in die Länge ziehen, sei dahingestellt. Realistischerweise werde die gesamte Bauarbeit nicht in unter zehn Jahren abschließbar.

Und an dieser Stelle wird auch klar, weshalb jedem in der Schule klar zu sein scheint, dass die Renovierung der Schule in dieser Form nicht mehr wäre als ein utopischer Tagtraum, denn welche Eltern schicken ihr Kind auf diese Schule, wenn bereits klar ist, dass es seine gesamte Schulzeit auf einer Baustelle verbringen wird? „Wenn man das so macht, [hat] man am Ende eine neue Schule hier stehen, und keine Schüler mehr.“

Das Problem sei dabei aber keines, das exklusiv dem Rama zuzusprechen sei. In beinahe jeder Schule gäbe es Bedarf an Modernisierung, und die Stadt Mainz scheint schlicht nicht in der Lage, dieses Problem der Überbrückung zu lösen. Der Vorschlag der Schule ist zwar wieder einfach: Man baue als Stadt irgendwo in Mainz für genau solche Fälle ein Gebäude, in das eine Schule dann zur Renovierung einziehen könnte. „Dann haben wir wenigstens nur zwei Mal einen Umzug, aber wir müssen nicht auf einer Baustelle leben.“ Aber dann hat die Stadt Mainz dafür leider kein Grundstück zur Verfügung.

Angeblich soll es Ende 2022 erneut zu Diskussionen über die Renovierung kommen. Daraufhin wäre der Plan, schulintern zu diskutieren, sowohl bei den Schülern als auch in der Eltern- und Lehrerschaft, „und vielleicht können wir ja dann als Schulgemeinschaft der Stadt irgendwie helfen, Vernunft anzunehmen.“